[Mediaevistik] Brügge

Christian Bickel Christian.Bickel at t-online.de
Do Jun 9 20:04:00 CEST 2011


  

<B3RLIN at aol.com> schrieb: 
Guten Morgen Herr Bickel,

zu Ihrer Frage der klerikalen Beziehungen zwischen Norwegen und dem Raum
Brügge im ausgehenden 13. Jahrhundert lassen sich m.E. zwei Komplexe
bilden:

1. Finanzbeziehungen 
Brügge war tatsächlich ein zentraler Hinterlegungsort päpstlicher
Einnahmen. Das hatte logistische und sicherheitsrelevante Gründe, es
lagen diesen Hinterlegungsbestimmungen päpstliche Erlasse zugrunde. "Die
nordischen Steuern, über die Nordsee kommend, ebenso die der östlichen
Reiche, die, der Richtung des Hansehandels folgend, teils zu Schiff,
teils durch Wechsel übermittelt wurden, fanden in Brügge ihre
Depositare" und exemplarisch "Johann Muscato, Archidiakon zu Breslau und
Kollektor des Peterspfennigs, sollte das Geld an ihre Agenten in Brügge
schicken [Potthast # 22556]" hier zitiert aus dem Beitrag von Georg
Schneider "Die finanziellen Beziehungen der florentinischen Bankiers zur
Kirche von 1285 bis 1304" (in: Gustav Schmoller [Hrsg.] Staats- und
socialwissenschaftliche Forschungen Bd. 17 Heft 1 Leipzig 1899 Vorwort
VII-VII S. 1-72 mit passim. Bezug auf Brügge und die nördl. Länder).
Derartige Hinterlegungen aus dem skandinavischen Raum in Brügge stellen
sich demnach nicht als Besonderheit dar.

2. Kirchliche Beziehungen 
Die kirchlichen Kontakte und Handlungen zwischen Norwegen und der
Zisterze Ter Doest bei Brügge sind demgegenüber außerordentlich und
können mit den o.g. Finanzverbindungen in der Tat nicht bzw. nicht
ausschließlich erklärt werden.

Ein Erklärungsansatz für eine Festigung - vielleicht sogar für den
Beginn - dieser besonderen Beziehung könnte der Lebensweg des Thorfinn,
Bischof von Hamar, Suffraganbischof des von Ihnen erwähnten Erzbischofs
Jon Raude von Trondheim, bieten. Die Konflikte mit König Erik II.
veranlassten auch Thorfinn zum Exil. Er gelangte - gemeinsam mit Bischof
Andres von Oslo - zunächst nach Rom und später unter größter Mühe und
Not (sogar von Schiffbruch wird berichtet) nach Brügge; das Kloster Ter
Doest wurde sein neuer Aufenthaltsort. Dort verstarb er am 8. Januar
1285.  

Ferner erwähnenswert: Der von Ihnen erwähnte Jørund war  - nach Thorfinn
- Bischof von Hamar und wurde 1287 zum Erzbischof von Trondheim
gewählt.

Inwiefern sich Thorfinn bis zu seinem Tod im Raum Brügge bemerkbar
gemacht haben könnte, müsste ggf. näher recherchiert werden. Vielleicht
wurde auch nur seine Rettung - aus Seenot - mystifiziert. 

Literaturvorschläge:

Knut Gjerset "History of the Norwegian people" Bd. 1 S. 476 New Yorck
1915
John J. Delaney "Dictionary of saints" S. 601 2005 [Auszug: "After being
involved in a shipwreck, he reached the Cistercian abbey of Ter Doest...
...He may have become a Cistercian at Tautra Abbey near Nidaros before
his exile. His life was commemorated in a poem written by Walter de
Muda..."
Joannes Bollandus,Jean Baptiste Carnandet,Godefridus Hanschenius,Daniel
van Papenbroeck et al
"Acta sanctorum" Ed. nov. Bd 1 S. 548 Paris 1866
Thomas Benjamin Willson "History of the church and state in Norway from
the tenth to the sixteenth century" S. 219  London-Westminster 1903
Istituto storico italiano per il Medio Evo,... "Repertorium fontium
historiae Medii Aevi" Bd. 11 T. 4 S. 430 [zur Vita Torphini - Auszug:
"...,qui visit in monast. Thosano ab a. 1281-1282 usque ad mortem a.
1285..."] -[Thosano = Ter Doest]
Sigrid Undset "Saga of Saints" S. 279 1934 ND 1968 [Auszug: "...Walterus
de Muda was commissioned to write his recollections of the blessed
Thorfinn and the day of his death, 8th January,..."]

Freundliche Grüße 

Andreas Trotz
Riesdorf, Niederer Fläming

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Über das Schicksal der
erwähnten Bischöfe und ihrer Vorgänger und Nachfolger weiß ich ziemlich
gut Bescheid, da norwegische Geschichte mein Arbeitsgebiet ist.
Aber Ihren Quellenangaben werde ich nachgehen. Da könnte etwas zu finden
sein.

Mit den besten Grüßen
Christian Bickel


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