[Mediaevistik] Antw: Re: Scharfrichter in der Schenke
Markus.Wenninger at aau.at
Markus.Wenninger at aau.at
Fr Jun 3 12:27:13 CEST 2011
So weit mir bekannt ist, gab es in der sozialen Stellung der
Scharfrichter beträchtliche regionale, vielleicht auch lokale, und
sicher zeitliche Unterschiede (Tendenz zur Ausgrenzung wächst in der
frühen Neuzeit). Ganz allgemein - das gilt auch für viele andere
mittelalterliche Zustände und Mentalitäten - sollte man so plakative
Einzelnachrichten, wie jene, dass schon die Berührung des Kruges oder
Geldes des Scharfrichters unehrlich machen konnte, nicht unbesehen
verallgemeinern.
Beste Grüße,
Markus Wenninger
>>> "Tobias A. Kemper" <kemper at lenz-kemper.de> Mi, 25. Mai 2011 07:30
>>>
Guten Morgen,
> Felix Platter beschreibt in seinem Tagebuch auch die medizinische
> Versorgung in Basel im 16. Jh., da werden u.a. die beiden
> Scharfrichter erwähnt (ed. Lötscher, Basler Chroniken, Bd. 10, S.
> 337f.). Sie hatten "zuolauf von kranchen", ihr älterer Bruder in
> Schaffhausen sei "verriempt gewesen in der artzny", dasselbe wird
auch
> vom Vater, "nachrichter zuo Thübingen" gesagt.
mir scheint, dass die Frage der Unehrlichkeit und wie sich diese
praktisch auswirkte, einer umfassenden Untersuchung, diachron und
diatopisch differenziert, bedürfte. In anderem Kontext habe ich einmal
an einer Diskussion über die angebliche Unehrlichkeit der Müller
diskutiert. DAmals war unser Ergebnis / Eindruck, dass von einer
Unehrlichkeit der Müller wenigstens hier im Westen seit dem 16. Jh.
nicht die Rede sein kann, da nach Ausweis von Heiratsverbindungen etc.
Müller eher zur dörflichen Oberschicht gehörten und immer wieder auch
als Gerichtsschöffen zu finden sind. Das spricht entschieden gegen eine
Müller-Unehrlichkeit, die ja immer herumgeistert.
Ich würde auch erst untersuchen, ob der eigene Becher für den
Scharfrichter etc. nicht ein Mythos ist; auf jeden Fall wäre zu fragen,
wann und wo das belegt ist. Mir scheint das fast eher ein
Mittelaltermythos zu sein, lasse mich aber gern eines Besseren
belehren.
Viele Grüße
Tobias A. Kemper
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