[Mediaevistik] Ebenbürtigkeit in Alt-Sachsen
Dr. Dieter Riemer
dr.riemer at nord-com.net
Di Jun 20 00:54:05 CEST 2017
Liebe Liste,
Rudolf von Fulda (+ 865) schreibt in dem noch von ihm stammenden 1.
Kapitel der Translatio S. Alexandri (MGH SS 2, S. 675), daß bei den
Sachsen Ehen zwischen den vier Ständen Edle, Freie, Freigelassene und
Sklaven "cum vitae suae damno" gebüßt würden. Die Interpretation, daß
hiermit nicht das Leben, sondern das Wergeld gemeint sein, halte ich für
falsch, weil sie zu dem widersinnigen Ergebnis führen könnte, daß die
Buße um so kleiner wäre, je größer der Standesunterschied war.
Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004, S. 249 (und in anderen
Beiträgen) ist der Meinung, daß Rudolf sich diese Bestimmungen
ausgedacht habe, zumal er nicht gut über die sächsichen Verhältnisse
informiert gewesen sei. Letzeres halte ich bei einem Mönch, der 829 als
Leiter der Klosterschule und des Archivs die Auseinandersetzungen
zwischen seinem vermutlich besten Schüler Gottschalk, Sohn eines
sächischen Grafen, und seinem Abt Hrabanus Maurus um sächsisches Recht
und Gottschalks Erbgut auf zwei Synoden miterlebt und sicherlich auch
mitformuliert hat, für ausgeschlossen. Fulda besaß zudem im sächsichen
Hameln ein Eigenkloster und war vor der Gründung von Corvey für den
sächsischen Hochadel die erste Wahl.
Für eine Fälschung sehe ich kein Motiv. Da es sich eine Auftragsarbeit
für den sächsichen Grafen Walbert, Enkel Widukinds, handelte, hätte der
Empfänger eine Fälschung in diesem Punkt auch sofort erkannt.
Leider habe ich bisher keinen Beleg oder auch nur Indiz für die
Anwendung dieser Regelung finden können. Ich wäre für jeden Hinweis dankbar.
Nächtliche Grüße
Dieter Riemer
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