[Mediaevistik] Frohes Fest + guten Rutsch !

Dr. Dieter Riemer dr.riemer at nord-com.net
Do Dez 19 09:25:58 CET 2013


*Wie der Klabautermann den Weihnachtsmann spielen musste*

ein Heimatmärchen von Dieter Riemer

Es war einmal vor 1000 Jahren, als es an unseren Küsten noch keine 
Deiche gab und die alten Wesen noch nicht in Vergessenheit geraten 
waren. Damals begann das neue Jahr schon am 25. Dezember. Erst an diesem 
Tag gab es für die Kinder kleine Geschenke, die das Christkindlein in 
der Nacht zuvor mit seinen Helfern verteilte.

In der Heiligen Nacht lag am Steg von Bruggehusen  eines dieser 
neumodischen Handelsschiffe, welche die Friesen Cog nannten. Es war vom 
Niederrhein die Nordseeküste entlang gefahren, um Tuche zu kaufen. Die 
besten Tuche wurden in Hardewik gewebt, dort, wo Alba und Wisura in die 
Nordsee flossen. Nun war man auf dem Weg nach Bremen gewesen. Der 
aufkommende Sturm hatte den Kaptän der Cog in die Geeste flüchten 
lassen, bis dahin, wo zu Füßen der Leher Burg die Aue in die Geeste 
floss. Dort gab es einen Ufermarkt mit Landungsbrücken und 
Stapelplätzen, eine gute Süßwasserquelle und seit Karls des Großen 
Zeiten die Kapelle zum Heiligen Kreuz, welche man in Le de Klus nannte. 
Hier waren auch Fremde in der Heiligen Nacht willkommen. Die Cog hatte 
man gut vertäut und war mit der ganzen Besatzung zur Christmette 
gegangen, um anschließend im Burghof die Geburt des Herrn zu feiern.

Im Land zwischen Elbe und Weser glaubten längst noch nicht alle an den 
neuen Gott. Odin´s Hain nordöstlich von Bederikes A nannten die Priester 
jetzt zwar Gottesheim. Aber ob dieser Name sich durchsetzen würde? Ein 
Christkind sollte mächtiger sein als der gefürchtete Thor mit seinem 
Donner-Hammer? Lächerlich!  Torge der Wikinger, der noch an Odin und 
Thor sowie an die anderen alten Götter wie Saxnoth glaubte, sollte auf 
der Cog Wache halten. Wenn nur das Fässchen Met nicht gewesen wäre, 
welches ihm der Klabautermann "zufällig" in den Weg gestellt hatte. 
Selig schlief Torge seinen Rausch aus.

So war an Bord nur noch der Klabautermann wach und langweilte sich 
fürchterlich. Niemand da, den man hätte ärgern können. Torge merkte 
schon lange nichts mehr. Und dann war da noch das Problem mit der 
Heiligen Nacht. Soweit er wusste, durften in dieser Nacht nur Engel 
ihren Zauber wirken lassen. Und ein Engel war er weiß Gott nicht.

Plötzlich schepperte es oben am Mast fürchterlich. Als wenn der Vogel 
Roc mit voller Wucht in die gerefften Segel gerauscht wäre. Aber der 
lebte ja am persischen Golf. Es war mehrere hundert Jahre her, dass der 
Klabautermann ihn zuletzt gesehen hatte. Und ein Engel war der auch 
nicht. Der Lärm war aber nichts gegen den Donnerschlag, mit dem eine 
große rote Kugel den Mast runterrauschte und auf den  Klabautermann 
krachte. Selbst Torge hätte es beinahe aus seinem Koma geholt. Rote 
Kugel? Das war doch ein dicker alter Mann mit weißem Rauschebart und 
einem roten Mantel, der mühsam seine Knochen sortierte. Wo kam der denn 
her? So einen hatte der Klabautermann noch nie gesehen. Und die 
wichtigste Frage: Wieso tat ihm selbst alles weh? Wenn er einen Menschen 
berührte, überzog den ein nasskalter Schauer. Er selbst spürte davon 
nichts. Schließlich war er ein Jahrtausende alter Naturgeist. Aber jetzt 
fühlte er sich, als habe er selbst einen Hexenschuss, über den die 
Seebären manchmal klagten, wenn sie den Anker hochhieven wollten und er 
ihn festhielt. Der rote Klops musste durch die Luft gekommen sein. Aber 
so sah doch kein Engel aus! Und Flügel hatte der erst recht nicht.

"Ahoi, Klabautermann!" knurrte der alte Mann. "Hast du nicht die 
Aufgabe, zu Weihnachten oben auf dem Mast zu sitzen und deiner Besatzung 
heimzuleuchten?" Jetzt wird es immer verrückter, dachte der 
Klabautermann bei sich. Wieso kann der mich überhaupt sehen und kennt 
nicht nur meinen Namen, sondern auch die 
Klabautermann-Dienstvorschriften? "Guck nicht so dämlich. Ich bin der 
Weihnachtsmann und helfe dem Christkind. Wenn du vorschriftsmäßig dein 
Toplicht gesetzt hättest, wäre ich nicht mit meinem Rentierschlitten 
gegen den Mast geknallt und abgestürzt. Ich habe mir meinen Hintern so 
geprellt, dass ich nicht auf dem Kutschbock sitzen könnte, selbst wenn 
ich meinen Schlitten wieder hätte. Und wer soll nun den Kindern in 
Camere, Curstide, Beckeshouede, Bramelo, Ganderikeshusen, Gestenthorp, 
Langene, Le, Nucla, Schipthorpe, Sivorde, Stotle, Turneworthe, 
Wallestorpe und Winhusen die Weihnachtsgeschenke bringen? Kannst du mir 
das mal erklären?"

"Es tut mir leid." erwiderte der Klabautermann. "Wie du siehst, musste 
ich mich hier an Deck um diesen schwerkranken Mann kümmern." Schließlich 
war der Klabautermann nicht auf den Mund gefallen. Wozu Torge doch gut 
war. "Papperlapapp" knurrte der Weihnachtsmann. "Meinst du, ich hätte 
noch nie Met getrunken? Aber nicht zu Weihnachten! Schnaps ist Schnaps 
und Dienst ist Dienst! Sieh zu, wie du den Schlamassel wieder 
bereinigst, sonst melde ich dich beim diensthabenden Erzengel wegen 
eines schweren Wachvergehens."


  Was blieb dem Klabautermann bei solcher Aussicht übrig? Da er nicht
  zaubern durfte, musste er die Rentiere mit dem Schlitten voller
  Geschenke zu sich an Deck locken. Grinsend brachte ihm der
  Weihnachtsmann dafür das Lied von "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer"
  bei. Es klang beim Klabautermann so schräg, dass der Weihnachtsmann
  etwas nachgeholfen haben muss, damit das Gekrächze die Rentiere nicht
  endgültig vertrieb. Und ohne Zauberei brauchte der Klabautermann die
  ganze Heilige Nacht, bis er das letzte Weihnachtsgeschenk in die
  letzte Hütte gebracht hatte. Nie wieder hat er in den 1000 Jahren bis
  heute vergessen, sich zu Weihnachten um die Sicherheit seines Schiffes
  zu kümmern.

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