[Mediaevistik] Heilig Geist-Orden

Christian Bickel Christian.Bickel at t-online.de
So Jul 15 11:46:00 CEST 2012



"Herwig Weigl" <herwig.weigl at univie.ac.at> schrieb:
> Leprosenhaeuser sind in der Regel 
> spezifisch zu erkennen, die meisten anderen Spitaeler sind Versorgungs- 
> und nicht oder nur in zweiter Linie Krankenanstalten. Das 
> Heilig-Geist-Patrozinium wird fuer Spitaeler durchwegs gern verwendet. 
> Es sagt aber nichts ueber die konkrete Zweckwidmung des Hauses und auch 
> nichts ueber die Zugehoerigkeit zum Orden von S. Spirito, dessen 
> Hauptsitz nach wenigen Jahren von Montpellier nach Rom wanderte. Das 
> sicherste Kriterium, um die Zugehoerigkeit eines Hauses zu S. Spirito 
> festzustellen, ist die Nennung in einem der paepstlichen Privilegien, 
> die den Besitzstand aufzaehlen. Allerdings zeigt sich selbst bei dieser 
> Textsorte, die ja meistens nur fortgeschrieben wird, eine ziemliche 
> Fluktuation.
> 
> > ... wurde den Quellen nach von Augustinern betrieben (wobei man fragen kann,
> > ob es sich wirklich um Augustiner handelte oder um einen geistlichen
> > Zusammenschluss, der nach der Augustinerregel lebte).

> die "Augustinerregel" ist eher ein Sammelbegriff fuer verschiedene 
> nicht-benediktinische Regeln, die sich auf Augustinus berufen. Konkret 
> koennen sich verschiedene Orden oder Gemeinschaften darunter verbergen. 
> An Augustiner-Chorherren oder Augustiner-Eremiten braucht man wirklich 
> nicht gleich zu denken.

> > Meine Frage lautet nun, wie es zu der ubiquitären Bezeichnung für
> > Krankenanstalten als "Heilig-Geist-Häuser" gekommen ist

> wahrscheinlich hatten sie alle das Mode-Patrozinium. Die Taube im Siegel 
> ist dann ja logisch. Vorbehaltlich konkreter Forschungen, von denen ich 
> nichts weiss, wuerde ich jedenfalls die Existenz von 
> Heilig-Geist-Spitaelern und regulierten Klerikergemeinschaften nicht 
> gleich im Zusammenhang mit S. Spirito zu sehen.
> 

Vielen Dank, das bewahrt mich zunächst einmal vor voreiligen (blamablen)
Schlüssen.

Im Herbst findet in Ostisland eine kleine Tagung zu dem in der
Ausgrabung befindlichen Skriðu-Kloster statt. Die Skelette im Gräberfeld
zeigen durchweg, dass hier die meisten an verschiedensten Krankheiten
litten, von Tuberkulose bis Syphilis. Die wenigen Skelette ohne
Krankenbefund dürften von den Mönchen oder von Pfründnern, die gegen
eine Stiftung ihren Lebensabend dort verbringen durften, stammen. Die
Armenfürsorge war anders geregelt. Bekannt ist nur, dass die Mönche nach
der "Regel des Augustinus" lebten. In der isländischen
Geschichtsschreibung wird meist von Augustiner-Klöstern geschrieben, von
denen es mehrere gab. Aber da kommen eigentlich weder
Augustiner-Eremiten noch Chorherren in Frage, weil letztere ja in
Verbindung mit einem Domkapitel zu sehen sind, die Klöster aber weitab
von den beiden Bischofssitzen gelegen waren. Daher ist mir Ihr Hinweis,
dass geistliche Gemeinschaften sich nach der Regel des Augustinus
richteten, ohne deshalb zu einer der beiden Kongregationen zu gehören,
sehr wichtig und erklärt da vieles. Das passt dann auch zu der
Vorschrift des IV. Laterankonzils von 1215, dass alle klösterlichen
Gemeinschften, die noch keine Regel hatten, sich nach der Regel des Hl.
Augustinus zu richten hätten.

Also nochmals vielen Dank
C. Bickel


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