[Mediaevistik] Nibelungen-Film auf ARTE

Hermann Reichert hermann.reichert at univie.ac.at
Fre Nov 30 13:12:19 CET 2007


Liebe Lisdte,

vielleicht hat jemanden, der den Film am Sonntag gesehen hat (oder am 1.12.
um 14 Uhr noch sehen wird) erstaunt, dass es im Film so klingt, als sei ich
der Meinung, Arminius könne ‚Siegfried’ geheißen haben. Das wollte der
Regisseur; ich halte es für falsch und war auch nicht bereit, es zu sagen.
Da griff er zu folgendem Trick: er bat mich, zuerst die Argumente zu
referieren, die von den Vertretern dieser Theorie vorgebracht wurden,und
dann meine Gegenargumente, vor allem, dass der Name ‚Siegfried‘ erst in der
2. Hälfte des 7. Jh. auftritt, und, falls man einen frühen Helden dieses
Namens durchgehend in Erinnerung behalten hätte, dieses Weiterleben mit
Nachbenennungen verbunden gewesen wäre - man hätte diesen Helden unter die
eigenen mythischen Vorfahren eingereiht und Söhne nach ihm benannt. Da unter
den Namenmassen bei Gregor von Tours und Fredegar kein einziger ‚Siegfried‘
auftritt, ist das äußerst unwahrscheinlich.

Für den Film nahm man dann die erste Hälfte des Interviews, und strich weg,
dass ich da nicht meine, sondern die Meinung anderer referiere, und meine
eigene Erklärung ließ man ganz fort – der Teil des Films über Arminius wäre
dann ja nicht so möglich gewesen.

Als ich den Film sah, wusste ich zuerst nicht, ob ich weinen oder lachen
soll, entschied mich aber für das zweite, als mir ein Fernseh-Insider
erklärte, dass das beim Fernsehen das Normale sei und mit Interviews
prinzipiell so umgegangen werde, dass es so aussieht, als sage der
Interviewte die Meinung des Regisseurs. Also: wenn im Fernsehen jemand etwas
sagt, darf man prinzipiell nicht glauben, dass er es im Inteview tatsächlich
so gesagt hat!

Mit herzlichen Grüßen

Hermann Reichert

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