Re: [Mediaevistik] Lalebuch und ein "Lügenanhang"?

Henriette Fiebig henriette.fiebig at snafu.de
Mon Aug 20 18:41:45 CEST 2007


On 20.08.2007, at 17:33, Sabine Seelbach o. Ulrich Seelbach wrote:

>
> Allerdings sollen die Bienenkörbe nur so groß sein wie hierzulande.  
> Auf
> die skeptische Frage, wie sie dann hinein und heraus kommen, wenn  
> sie so
> groß sind, reagiert der Lügner ungehalten: Ich hab es selbst gesehen,
> aber wie sie es anstellen, das lasse ich ihre (der Bienen) eigne Sorge
> sein. Der Ausdruck "Der Bien muß" ist aber an dieser Stelle nicht  
> zu finden!

Lieber Herr Seelbach,

oh großartig! Da haben Sie mir ja schon alle Informationen geliefert,  
die ich brauche. Besten Dank!! :))

Dann will ich auch Ihnen noch die gewünschte Information geben:  
Albert Richter schreibt über jenen Lügenanhang:

„Darin wird von den außerordentlich großen Bienen berichtet, die  
nicht in den gewöhnlichen Bienenstock hineingehen, aber hineinmüssen,  
soweit sie es können“

Sieht ja ganz so aus, als habe Richter hier ein bisschen großzügig  
interpretiert ;)

Er setzt dann noch ganz clever (oder um seine Interpretation zu  
stützen) nach:

„Auffällig ist das Geschlecht, da Biene weiblich und im Althochd.  
sächlich ist, während Imme im Althochd. männliches Geschlecht hat.“

Demnach hätte man also den Ausdruck mit dem Ungebräuchlichwerden von  
Imme (ausgehend von einem „Der Imme muß“) auf die Biene übertragen.  
Ich hielte das vielleicht für denkbar, wenn nicht die  
Sprichwörterlexika darin übereinstimmten, daß der Ausdruck zum ersten  
Mal im Jahr 1849 auftrat (so z. B. Röhrich) – das ist mir dann doch  
eine zeitlich zu große Lücke, um hier eine wirkliche Kontinuität der  
Überlieferung anzunehmen. Interessanterweise führt aber auch Röhrich  
den Ausdruck auf die Lügengeschichte mit den "Bienen groß wie Schafe"  
zurück (freilich ohne Erwähnung des „Lügenanhangs“) und schreibt weiter:

„Auf die Frage, wie denn diese Bienen durch das Flugloch des Korbes  
kämen, legte der Düsseldorfer Maler Wilhelm Camphausen in seiner  
Illustration von 1849 dem Aufschneider die treffende Antwort in den  
Mund: »Der Bien muß!«“

Ich grübele gerade, was der Herr Camphausen da wohl illustriert haben  
mag … Laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/ 
Wilhelm_Camphausen) war er Militärmaler und weder in der  
Staatsbibliothek zu Berlin, noch in der DBF finde ich ein Buch oder  
ähnliches von Camphausen aus dem Jahr 1849. Aber Gustav Schwabs "Die  
deutschen Volksbücher für jung und alt wiedererzählt" mit Camphausen- 
Illustrationen (allerdings von 1912 bzw. 1937). Verzwickt! Ich werde  
mir also auch noch Röhrichs Quellen komplett zu Gemüte führen müssen,  
um der Sache vollständig auf den Grund zu gehen ;) (Wander und Krüger- 
Lorenzen habe ich vorliegen, die helfen da auch nicht weiter).

>
> Wenn Sie noch mehr erfahren wollen, finden Sie etwas in meinen Beitrag
> im Eulenspiegel-Jahrbuch 1999: "Die newe Zeitungen auß der gantzen  
> Welt
> - der Anhang des Lalebuchs und die Logik der Lügendichtung".

Der Band ist in der Bibliothek leider gerade verliehen, aber ich habe  
ihn bestellt. Den Artikel von Ihnen lese ich gern mal nach :)

Viele Grüße aus Berlin und nochmals Dank

Henriette Fiebig