[Mediaevistik] Wikisource

Klaus Graf klaus.graf at geschichte.uni-freiburg.de
Fre Dez 15 18:29:11 CET 2006


Mit der "Martina" (Ausgabe Keller) hat Wikisource am 14.
Dezember sein zweites größeres Projekt erfolgreich
abgeschlossen. Die ca. 33.000 Verse des mittelhochdeutschen
Dichters Hugo von Langenstein wurden in acht Monaten Arbeit
transkribiert und korrekturgelesen.

http://de.wikisource.org/wiki/Martina

Ueber den Abschluss der Zimmerischen Chronik berichtet die
folgende Pressemeldung:

"Wikisource, ein Schwesterprojekt der freien Enzyklopädie
Wikipedia, hat sein erstes großes Digitalisierungsprojekt
erfolgreich abgeschlossen. Mit der Zimmerischen Chronik,
einem deutschen Geschichtswerk aus der Mitte des 16.
Jahrhunderts, liegt eine herausragende Quelle zur Adels-
und Volkskultur erstmals als Volltext zum freien Abruf im
Internet vor.

Was Graf Froben Christoph von Zimmern in den Jahren nach
1560 zur Geschichte seiner Familie zusammentrug, gilt mit
ihren unzähligen Schwänken und Geschichtchen nicht ohne
Grund als eines der lebendigsten Geschichtswerke der
deutschen Literatur des 16. Jahrhunderts. Ihr Wert für die
Landes- und Kulturgeschichte des deutschen Südwestens wurde
bereits im 19. Jahrhundert erkannt. Wenn man sich etwas in
die alte Sprache eingelesen hat, erwartet auch den
Nicht-Fachmann ein Lesevergnügen besonderer Art.

In neunmonatiger Arbeit wurden mehr als 2.500 Seiten des
Werkes von Freiwilligen transkribiert und mehrfach
korrekturgelesen. Als Grundlage der auf diese Weise
enstandenen Onlineausgabe diente die nach wie vor
wissenschaftlich maßgebliche Edition von Karl August
Barrack, deren Scans Wikisource von der Freiburger
Universitätsbibliothek zur Verfügung gestellt wurden.
Während die gedruckte Ausgabe von Barrack in manchen
Internet-Antiquariaten für 800 Euro angeboten wird, steht
der durchsuchbare Volltext jetzt kostenfrei zur Verfügung.
“Mit der Neuausgabe der Zimmerischen Chronik ist ein Traum
vieler an der Regionalgeschichte Schwabens Interessierter
erfüllt worden”, so der deutsche Historiker und Archivar
Klaus Graf, der das Projekt als Wissenschaftler begleitet
hat. “Besonderer Wert”, so betont Graf, “wird in Wikisource
auf eine hohe Qualität der Textwiedergabe gelegt.”

Wikisource ist eine Sammlung freier Quellentexte. Der
Sammelschwerpunkt des deutschsprachigen Projekts liegt auf
attraktiven und seltenen Texten, die anderweitig im
Internet nicht verfügbar sind. Erklärtes Ziel ist, dass
nicht nur Laien die Texte lesen, sondern auch
Wissenschaftler diese für ihre Arbeit verwenden können.
“Wikisource bietet Wissenschaftlern und interessierten
Laien die einzigartige Möglichkeit, gemeinsam online an
digitalen Editionen zusammenzuarbeiten” hebt Michail
Jungierek hervor, der die Transkription der Chronik während
der gesamten Projektlaufzeit betreut hat.

Neben historischen Quellen ist das Spektrum der auf
Wikisouce verfügbaren Texte bewußt weit gefaßt. So
präsentiert Wikisource unter anderem Althochdeutsches und
Flugblätter aus dem Dreißigjährigen Krieg, aber auch
seltene Sachtexte des 19. Jahrhunderts und literarische
Werke aus der Zeit der Weimarer Republik. Zu den Werken der
großen deutschen Klassiker Goethe und Schiller gesellen
sich auch solche Raritäten wie der “Prosektor in der
Westentasche”, eine in Versform abgefaßte Sektionsanleitung
für Medizinstudenten oder ein Originalbrief des Feldherrn
Wallenstein.

Zur Mitarbeit in Wikisource wird lediglich ein
Internetanschluss und ein Browser benötigt. Mithelfen kann
jeder, der sich für alte Bücher und Texte interessiert. Als
eines der nächsten größeren Projekte ist eine
Volltextausgabe der deutschsprachigen Fassung der
Schedelschen Weltchronik, eines bedeutenden Zeugnisses der
Buchdruckkunst aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, geplant."

Wikisource bietet die Moeglichkeit, mediaevistische E-Texte
auf wissenschaftlichem Niveau im Internet darzubieten.

Durch das Zusammenspiel mit Wikimedia Commons, wo Scans
gelagert werden koennen, ist die Ueberpruefbarkeit der
Texte (anders als bei dem Projekt Gutenberg-DE) gegeben.

Anders als die Wikipedia bildet das deutschsprachige
Wikisource-Projekt eine sehr kleine Community mit
angenehmem Arbeitsklima. Wikisource braucht neue
Mitarbeiter!

Klaus Graf